World Press Photo Wettbewerb 2024

Unser Stadtführer auf dem Weg zum WBH vor der ZUG-Fassade

 

Mit der S-Bahn fuhr eine kleine Gruppe des Bürgervereins am Freitag, den 5. Juli von Hermsdorf bis Anhalter-Bahnhof, zu Fuß ging es dann weiter zum Willy-Brandt-Haus (WBH), wo wir uns die Ausstellung zum World Press Photo Wettbewerb 2024 ansehen wollten. Auf dem Weg dorthin machte Wolfgang Rosenau uns in der Stresemannstraße 69 auf die bewachsene Fassade der Projektgesellschaft für „Zukunft, Umwelt und Gesellschaft“ (ZUG) aufmerksam: Aus quadratischen Zellphasertaschen sprießen Grünpflanzen und geben der grauen Asphalt- und Beton-Umgebung nicht nur mehr Farbe, sondern tragen auch zur Verbesserung der städtischen Umwelt-, insbesondere der Luftqualität bei.

 

Der World Press Photo Wettbewerb zeichnet seit 1955 „die eindrucksvollsten, aussagekräftigsten und inspirierendsten Beispiele für Fotojournalismus und visuelle Berichterstattung weltweit aus“. Im WBH erinnerte daher zunächst ein Aufsteller an wichtige Ereignisse des Jahres 2023 und präsentierte dann die von der Jury ausgewählten Photos. 

 

Mich persönlich beeindruckten vier davon in besonderer Weise:

  • Die Blicke von drei Kindern in Afghanistan auf einen Apfel, den ihre Mutter vom Betteln mitgebracht hat.
  • Eine Palästinenserin, die den in ein weißes Tuch gewickelten Leichnam ihrer Nichte umarmt.
  • Die überfluteten Häuser in Cherson am Dnepr nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der von Russland kontrollierten Südwest-Ukraine.
  • Ein Großvater, der vor der Fidji-Insel Kioa mit seinem Enkel genau dort im Wasser steht, wo die Küstenlinie verlief, als er selbst ein kleiner Junge war. 

Alle vier Fotos gehen unter die Haut, indem sie menschliche Not als Folge von Krieg und Klimawandel zeigen – und wir stehen bewegt, mit Tränen in den Augen, hilflos davor und denken: Warum bündeln Menschen ihre Ideen nicht für die Rettung der Welt, statt sie zu zerstören?

 

Aus dem Erdgeschoss im WBH ist vielen Fernsehzuschauern die bronzene Willy-Brandt-Statue des Bildhauers Rainer Fetting bekannt. In den oberen Stockwerken gibt es neben Büro-und Konferenzräumen weitere Ausstellungssäle, zur Zeit über „Frauen im Widerstand“ sowie über Architektur-Aufnahmen des Berliner Fotografen Jean Molitor unter dem Titel „Auf Augenhöhe – Afrika und seine Moderne“. Dass uns viele Gebäude aus den Jahren nach dem 1. Weltkrieg mit ihrem Baustil bekannt vorkamen, fand einleuchtende Erklärung aus der Kolonialgeschichte: Afrikanische Baumaterialien und Techniken einerseits, europäische Architektur aus der Ideenwelt am Bauhaus andererseits  inspirierten sich gegenseitig und erklären entsprechende Gebäudecharakteristika unter anderem in Angola, Burundi, Eritrea, Kenia, Kongo Mosambik und Südadfrika, aber auch in Marokko (Tanger, Casablanca) seit den 20er Jahren. 

 

Nach rund zwei Stunden gelangte unsere kulturelle Neugier und Aufnahmefähigkeit an Grenzen. Mit einem kurzen Spaziergang zum Mehringplatz am Halleschen Tor gelang es Wolfgang dennoch, unsere Aufmerksamkeit auf Anlage und Geschichte dieses Platzes am Anfang der Friedrichstraße zu lenken. Das 1734 angelegte Rondell erhielt 1815 den Namen Belle-Alliance-Platz – nach dem Ort Belle-Alliance, wo die preußisch-englische Truppen-Allianz (!) der Generäle Blücher und Wellington in der Schlacht bei Waterloo Napoleons Armee entscheidend besiegt hatte. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Erinnerung an diesen militärischen Triumph ersetzt durch die Würdigung des sozialistischen Publizisten und Politikers Franz Mehring und erhielt 1947 den Namen Mehringplatz. (Nicht zu verwechseln mit dem Franz-Mehring-Platz in Friedrichshain!)

 

Durch Parkanlagen und vorbei an am schön gestalteten Spielplatz mit Elefantenkopf-Wandmalerei sowie weiterer Streetart gelangten wir zum Tommy-Weisbecker-Haus, ehe wir zum Abschluss unseres Ausflugs im Mirami Sushi Restaurant unsere Eindrücke austauschten, entspannten und uns für die Rückfahrt stärkten.

 

PS 

In der Fußgängerzone am Anfang der Friedrichstraße lohnt es, den Blick auf das Straßenpflaster zu richten: Hier werden berühmte europäische Dichter und Philosophen mit nachdenklichen Äußerungen zitiert, zum Beispiel Kant mit dem kategorischen Imperativ, der Spanier Miguel de Cervantes mit einer klugen Bemerkung zum Reisen in fremde Länder und dem Umgang mit den verschiedensten Leuten. Vom Ungarn Sandor Marei stammt die Feststellung: „Weil das Denken so schwierig ist, urteilt man lieber.“

Das sollte uns zu denken geben ...

 

PPS

Rechtzeitig vor 18 Uhr waren wir alle wieder zu Hause, sehr zufrieden mit dem schönen Ausflug.

Um 20:30 Uhr schlug das Schicksal zu: Ein Landsmann von Cervantes köpft den Ball ins Tor – unhaltbar für den deutschen Torwart. Schade.

  

Text: hg, Fotos: isg

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