Modi im Barberini

"Mit modernen Blicken: Amedeo Modigliani im Barberini" (Ausstellungsbesuch am 10. Mai 2024)

 

Kennt Ihr das? Man durchstreift mit einem gerade gelesenen Buch unterm Arm die Stadt, in der die Handlung des Romans spielt - und macht sich angeregt und neugierig auf die Suche nach den Orten des literarischen Geschehens ... 

 

An diese Möglichkeit der Stadterkundung erinnerte mich im Eingangsbereich der Ausstellung die große Wandkarte von Paris mit den etwa dreißig Atelier- und Wohnadressen von Amedeo Modigliani. In diesem Fall wird die Stadt allerdings mit der Biografie eines Malers erkundet. Modiglianis Leben und die Besonderheiten seiner Werke zu verstehen, ohne den roten Faden zu verlieren, fiel uns sieben Bieselheidern an diesem Tag dank des kurzweiligen und packenden Vortrags unseres Museumsführers nicht schwer. 

 

Amedeo Clemente Modigliani (Modi), ein italienischer jüdischer Bildhauer und Maler, wurde  1884 geboren, litt bereits als Kind an Tuberkulose und starb 1920 mit 35 Jahren an dieser Krankheit. Modi studierte in Livorno und Venedig und kam 1906 nach Paris. Sein Interesse galt zunächst der Bildhauerei. In seine Skulpturen flossen Motive der Antike sowie der asiatischen und der afrikanischen Kunst ein. 

 

Sein intensives – manche sagen auch ausschweifendes – Zusammenleben mit Künstlern aus aller Welt inspirierte ihn dazu, insbesondere seine Freunde zu porträtieren. Bei einer seiner ersten Kreideskizzen, die er seinem Förderer Paul Alexandre widmete, zeigten sich bereits Stilelemente, die auch die weiteren Porträts prägen: langgezogene, flächige und ovale Gesichter mit dem Motiv eines geöffneten und eines geschlossenen Auges -  als Sicht auf eine innere und eine äußere Welt. 

 

Während diese Porträts seiner Freunde damals in der Öffentlichkeit so gut wie keine Resonanz fanden, wurden schon seine ersten Frauen-Akte auf der einzigen Ausstellung zu seinen Lebzeiten zum Skandal. Die Darstellung der Schamhaare soll für Aufregung gesorgt haben. Wahrscheinlicher aber ist, dass die offensive und zugleich sinnliche Nacktheit des weiblichen Körpers sowie der selbstbewusste Gesichtsausdruck der dargestellten Frauen  eine Unabhängigkeit ausdrücken, die damals provozierte. Also wurde die erste Ausstellung kurz nach der Eröffnung wieder geschlossen. 

 

Auch die 1917 entstandenen Frauenporträts mit Kurzhaarfrisur, Hemd und Krawatte spiegeln ihren Willen nach Selbstbestimmung wider. Modis forscher Blick auf ein neues Menschenbild noch während der Zeit des Ersten Weltkrieges konnte aber seiner jungen Verlobten nicht helfen: Nach seinem frühen Tod nahm sie sich, hochschwanger mit dem zweiten Kind, verzweifelt das Leben. 

 

Text:isg 

Fotos: gth, isg

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